Russisch-Polnische Kriege

Als Russisch-Polnische Kriege, auch Polnisch-Russische Kriege im engeren Sinn, werden folgende Kriege zwischen dem Russischen Zarenreich und Polen-Litauen bezeichnet. Als Regent ist nach Möglichkeit der jeweilige Herrscher bei Friedensschluss angegeben:

Name Dauer beendet durch Russischer Regent Polnischer Regent Ergebnis
Livländischer Krieg 1558–1582 Vertrag von Jam Zapolski, 1582 Iwan IV. Stephan Báthory Erfolgreiche Abwehr der russischen Expansion in Livland; das Herzogtum Kurland und Semgallen gerät unter polnische Lehnshoheit
Polnisch-Russischer Krieg 1609–1618 Vertrag von Deulino, 1618 Michael I. Sigismund III. Wasa Größte Ausdehnung Polen-Litauens nach Osten
Smolensker Krieg 1632–1634 Friede von Polanów, 1634 Michael I. Władysław IV. Wasa Status quo ante, minimale Gebietsgewinne Russlands zum Nachteil Polen-Litauens
Russisch-Polnischer Krieg 1654–1667 1654–56,
1658–67
Vertrag von Niemież, 1656
Waffenstillstand von Andrussowo, 1667
„Ewiger Friede“ von 1686
Alexei I.
Sofia Alexejewna
Johann II. Kasimir
Johann III. Sobieski
Revision des Vertrages von Deulino, große russische Gebietsgewinne zum Nachteil Polen-Litauens. Schon zuvor, mit Abschluss des Vertrags von Perejaslaw (1654) zwischen dem Hetmanat der Saporoger Kosaken und dem russischen Zaren, ist die bisher polnisch dominierte Ukraine ein Teil der russischen Interessensphäre geworden: Die links (hier: östlich) der Fließrichtung des Dneprflusses gelegenen Gebiete des Wilden Felds fallen ab 1667/1686 dauerhaft an Russland. Die „rechtsufrigen“ Kosakengebiete werden zunächst polnisch-russisches, halbautonomes Kondominium, gehen aber zwischen 1764 (Abschaffung des Hetman-Amts) und 1775 (Zerstörung der Saporoger Sitschs) im Gouvernement Neurussland auf. Endgültige Umkehrung des militärischen Kräfteverhältnisses zugunsten Russlands, bei gleichzeitiger Stabilisierung der polnisch-russischen Grenze bis zur Ersten Teilung Polens 1772
Polnischer Thronfolgekrieg 1733–1738 Frieden von Wien, 1738 Anna De facto Interregnum: Stanislaus I. Leszczyński (1733/36) contra
August III. (ab 1734)
Niederlage der Konföderation von Dzików und Thronverzicht (1736) des 1733 als französischen Favoriten erwählten polnischen Königs Stanislaus I. Leszczyński (Schwiegervater Ludwigs XV.). Bestätigung des 1734 von Russland, Österreich und Sachsen implementierten „Gegenkönigs“ August III. Dauerhafte Stationierung russischer Truppen in Polen. Herzog von Kurland wird der russische Parteigänger Ernst Johann von Biron
Aufstand der Konföderation von Bar 1768–1772 Erste Polnische Teilung, 1772 Katharina II. Stanislaus II. Augustus Sieg des modernisierungsfeindlichen polnischen Königs (siehe Repnin-Sejm) und seiner Unterstützer (Konföderation von Radom, Russland). Niederlage der von Österreich (bis 1771) und Preußen unterstützen Konföderation von Bar. Bestätigung der Goldenen Freiheit, jedoch Abschaffung des Liberum Veto in den Sejmiks (Regional- und Sonderparlamenten). Die Gleichstellung orthodoxer und protestantischer Christen mit den Katholiken (auch im Sejm) verschärft innerpolnische Spannungen und erleichtert Eingreifen der jeweiligen „Schutzmächte“. Nach dem Eingreifen der Osmanen gegen Russland (1768–1774) droht Internationalisierung des Konflikts, die mittels der Ersten Polnischen Teilung abgewehrt wird
Russisch-Polnischer Krieg 1792 Erzwungener Beitritt des polnischen Königs zur russophilen Konföderation von Targowica (1792),
Zweite Teilung Polens, 1793
Katharina II. Stanislaus II. Augustus Aufhebung der liberalen Mai-Verfassung Polens von 1791. Expansion Russlands und Preußens (das seiner Beistandspflicht gegenüber Polen nicht nachkam) auf Kosten Polen-Litauens. Reduzierung der Armee Restpolens auf 15.000 Mann
Kościuszko-Aufstand 1794 Dritte Teilung Polens, 1795 Katharina II. Stanislaus II. Augustus Polens letzter kriegerischer Versuch (rebellierende Soldaten und Bauern), aus eigener Kraft Unabhängigkeit und staatliche Integrität zu wahren. Sieg der russisch-preußischen Allianz. Vollständige Aufteilung und Untergang Polens als souveräner Staat
Als Verbündeter Napoleons I. Teilnahme an Sechstem Koalitionskrieg, speziell an Russlandfeldzug 1812 1812–1814 Wiener Kongress, 1815 Alexander I. Friedrich August I. Aus dem Herzogtum Warschau werden gebildet das Großherzogtum Posen (an Preußen, das zudem die Republik Danzig annektiert), die Republik Krakau (1846 an Österreich) und ein neues Königreich Polen („Kongresspolen“). Letzteres regieren Russlands Zaren zunächst in Personalunion. Nach dem gescheiterten Novemberaufstand 1830/31 (auch inspiriert durch frz. Julirevolution von 1830) vollständige Annexion durch Russland. Massendeportationen in das russische Landesinnere (80.000 Personen) und Fluchtbewegung nach Westeuropa (50.000 Personen) fördern dort Polenbegeisterung (Polenvereine). Nach Januaraufstand 1863/64 Reorganisation als Weichselland (1867) und versuchte Ausmerzung der polnischen Identität durch energische Russifizierung (u. a. Verbot des lateinischen Alphabets). Erneute Verhaftungs-, Deportations- und Emigrationswelle. Krakau (Krakauer Aufstand, 1846, Galizischer Bauernaufstand, 1846) und Posen (Posener Aufstand, 1848) verlieren ebenfalls sukzessive ihre rechtlichen und territorialen Sonderstellungen. Während der europaweiten Revolutionen 1848/1849 herrscht in Kongresspolen „Friedhofsruhe“.
Polnisch-Sowjetischer Krieg 1919–1921 Friedensvertrag von Riga, 1921 Wladimir Iljitsch Lenin Józef Piłsudski Die mit ihm alliierte Ukrainische Volksrepublik geht bereits 1920 unter, hat vorher aber noch, bei Abschluss des Bündnisses, das Territorium der im Polnisch-Ukrainischen Krieg geschlagenen Westukrainischen Volksrepublik an Polen (Galizien) abtreten müssen (weitere Teile gehen 1921 an Rumänien und die Tschechoslowakei). Die Ausdehnung weit jenseits der Vorkriegsgrenze (Curzon-Linie), teils bis zu 250 km östlich des geschlossenen polnischen Sprach- bzw. Siedlungsgebietes, verursacht ethnische Zersplitterung (Ukrainer, Weißrussen, Litauer)
Sowjetische Besetzung Ostpolens 1939 Unternehmen Barbarossa, 1941,
Konferenz von Jalta, 1945,
Potsdamer Abkommen, 1945
Josef Stalin Ignacy Mościcki,
Władysław Raczkiewicz (Exilregierung)
Die Sowjetunion profitiert vom Überfall Deutschlands auf Polen. Nach dreiwöchigen Kämpfen, besetzt sie (entsprechend dem Geheimen Zusatzprotokoll des Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes) die im Frieden von Riga verlorenen Territorien sowie die Woiwodschaft Białystok. Nach dem Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag (Vierte Teilung Polens) sofortige Eingliederung besetzter Gebiete in die Ukrainische SSR und Weißrussische SSR. Auf deutschen Wunsch wird das 1920 polnisch annektierte Vilnius Litauen zugeschlagen (das im Juni 1940 seinerseits von der Sowjetunion annektiert wird). Verfolgung und Ermordung polnischer Eliten (z. B. Massaker von Katyn). Polens Exilregierung verweigert die Anerkennung aller Annexionen. Der deutsche Überfall auf Sowjetunion (1941) ersetzt sowjetischen durch deutschen Besatzungsterror. Die Konferenz von Jalta und das Potsdamer Abkommen legalisieren die sowjetischen Annexionen nachträglich („Westverschiebung Polens“). Gegen das, von der Sowjetunion oktroyierte, kommunistische Regierungssystem regt sich, wie in anderen „Ostblockstaaten“ auch, wiederholt offener Widerstand (sog. „Verstoßene Soldaten“, Posener Aufstand, 1956, Solidarność-Bewegung, ab 1980)

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